Nach den aktuellen Berechnungen der Bundesnetzagentur kostet der Ausbau des Verteilnetzes rund 200 Milliarden Euro. Entscheidende Treiber dieser Kosten sind die Netzintegration auf Niederspannungsebene von Aufdach-Photovoltaikanlagen (folglich deren Netzeinspeisung) sowie der Hochlauf von Wärmepumpen und Elektrofahrzeugen (folglich deren Netzbezug). Die Wunschvorstellung wäre: Die Stromnetze besser zu nutzen, indem die Flexibilitäten der Haushalte intelligent mit Heim-Energiemanagementsystemen (HEMS) eingesetzt werden und dadurch die Ausbaukosten zu verringern. Der aktuelle §14a EnWG ist in erster Linie eine Notbremse und kein Mechanismus für eine optimale Netzausnutzung.
Der bereits oft diskutierte Ansatz wurde im Forschungsprojekt „STROM – Sektorkopplung und Microgrids“ des Lehrstuhls Erneuerbare und Nachhaltige Energiesysteme sowie dem CoSES-Labor (Combined Smart Energy Systems) der TU München unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Hamacher im Detail mit realen Netzdaten simuliert und untersucht. Einerseits zeigte sich, dass die Wärmeplanung und die Netzplanung zwingend gemeinsam und individuell gedacht werden müssen: Wo kommen Wärmenetze und keine dezentralen Wärmepumpen bzw. wo kommen keine Wärmenetze und damit fokussiert dezentrale Wärmepumpen. Und auf der anderen Seite ist ein zentrales Ergebnis, dass ein „netzfreundlicher Einsatz von HEMS“ die Ausbaukosten der Verteilnetze erheblich reduzieren könnte (Veröffentlichung: Optimization-based framework for low-voltage grid reinforcement assessment under various levels of flexibility and coordination). Dabei ergeben sich zwei maßgebliche Situationen für die Netzplanung: Die Netzeinspeisung der Aufdach-Photovoltaikanlagen im Sommer und der Netzbezug von Wärmepumpen in einer sehr kalten Winterwoche. Die Situation des maximalen Netzbezugs im Winter lässt sich wenig beeinflussen, da es wenig Potential zur Flexibilisierung der Systeme gibt. Jedoch kann die Netzeinspeisung im Sommerfall verhältnismäßig einfach beeinflusst werden.
Nun soll diese Hypothese in der Realität erprobt werden. Dazu fand am 12. September 2024 das erste HEMS-Symposium gemeinsam mit der Hochschule Ansbach statt. Der Fokus der Veranstaltung lag dabei auf den Fragen: Wo stehen wir heute bei HEMS? Auf welche Schnittstellen und Kommunikation setzten die Hersteller zukünftig? Wie erfolgt die Umsetzung des §14a EnWG? Und wie kann ein netzfreundlicher Einsatz von HEMS aussehen?
Grundlegende Idee der Veranstaltung war: „die HEMS-Branche trifft sich an einem großen Tisch zur Diskussion“. Vertreten waren dabei gut 100 Experten: 15 Hersteller von HEMS, Hersteller von SteuVE und Steuerboxen, Verteilnetzbetreiber, die Bundesnetzagentur, der FNN sowie Forschende aus unterschiedlichen Bereichen der Energietechnik.
In der zweiten Podiumsdiskussion stellte Dr. Niklas Vespermann (Bundesnetzagentur) die Kostenfrage: Der Netzausbau könnte laut Berechnungen über 200 Milliarden Euro kosten – eine gewaltige Summe. Hier bieten HEMS jedoch Potenzial, um durch eine geschickte Laststeuerung die Kosten für den Ausbau des Stromnetzes deutlich zu reduzieren. Prof. Dr. Thomas Hamacher unterstrich, dass einfache und praxisnahe Maßnahmen zur Vermeidung von Lastspitzen der Schlüssel sein könnten. Die Perspektiven aus der Praxis wurden von Sonja Baumgartner (LEW Verteilnetz GmbH), Christian Erber (ÜZW) und Frank Borchardt (VDE) eingebracht. „Man muss den Einspeisefall und den Bezugsfall gesondert betrachten“, so Christian Erber. Nach den Aussagen der Verteilnetzbetreiber ist heute der Einsatz von §14a EnWG erstmal nicht geplant und wird ausdrücklich auch nur im äußersten Notfall eingesetzt. Ein wichtiger Schritt ist die Digitalisierung der Ortsnetzstationen. „Da gibt es aktuell noch viel zu tun, die Herausforderungen sind ausreichend Fachkräfte zu haben und die Kosten“, so Sonja Baumgartner. Im weiteren Verlauf wurde der aktuelle §14a EnWG sowie dessen mögliche Weiterentwicklung im Sinne eines „präventiven §14a- EnWG“ diskutiert, sodass ein Befehl zum Dimmen nur im äußersten Notfall vorkommen kann. Eine Herausforderung ist hier, dass eigentlich jede Ortsnetzstation und die Signale zum HEMS individuell betrachtet werden müssen. Wie nun der Einsatz eines netzfreundlichen HEMS erfolgen kann und wie die Umsetzung der Signale zwischen Verteilnetzbetreiber und HEMS auszusehen hat, wird im Folgeprojekt „PhyFlex“ in der realen Umsetzung im Verteilnetz der ÜZW erprobt.
Anschließend kam ein spannender Beitrag von Dr. Vadim Gorski (Creatica GmbH), der die Möglichkeiten flexibler Stromtarife für HEMS aufzeigte. Alexander Stöger (FENECON) präsentierte, wie Heimspeicher diese Tarife intelligent nutzen können. Den Abschluss bildete der Vortrag von Dr. Wolfgang Gründinger (Enpal). Er war live aus Berlin zugeschaltet und stellte die Rolle von HEMS aus der Perspektive des Marktführers im deutschen PV-Aufdach-Markt dar. Seine Vision: die Integration von HEMS in virtuelle Kraftwerke (VPP), um so den nächsten Schritt in Richtung vernetzter, intelligenter Energiesysteme zu gehen.
Geplant ist, dass die 2. Auflage des HEMS-Symposiums im September 2025 wieder an der TU München stattfinden soll. Die Organisation übernimmt wieder Thomas Haupt, Dr.-Ing. Johannes Jungwirth und Prof. Dr. Thomas Hamacher.